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ÜBER DIE IRONIE UND DAS ABSURDE. Auffallend viele Künstler suchen (hier) einen Ausweg aus der aktuellen problematischen Lage in die Ironie. Wie Richard Rorty beschreibt, ist es der Ironie und dem Ironiker eigen, daß sie/ er kein determiniertes Vokabular gebraucht, vielmehr ihre Formulierungen steten Veränderungsprozessen unterliegen. Der Ironiker übt sich in dem Experiment, über das Mittel der wiederholten "Neubeschreibung" das ihm mögliche "beste Selbst" zu erschaffen respektive das System mit einer alternativen Neubeschreibung des Systems vergleichend zur Diskussion zu stellen. In dem Aufsatzband "Bad Irony" herausgegeben vom Künstlerhaus Bethanien Berlin (2001) wird nun das (Stil) Mittel der Ironie im speziellen Gebrauch in der Kunst historisch zurückverfolgt als eine Erfahrung aus der "Schule des Pop" . Mit einer kritischen Beobachtung aus der Distanz hat sich die Kunst das Populäre bzw. die Sprache der Konsum- und Unterhaltungsindustrie einverleibt, um die kommerziellen Verführungskünste für ihre Zwecke umzudeuten. Dieses (künstlerische) Konzept gleicht einem "Ästhetikbeschaffungsprojekt", wie Gerrit Gohlke es beschreibt, und demonstriert das konkrete Bewußtsein um die Hinfälligkeit politischer Utopien mit ausdrücklicher Nivellierung aller ethischen Kontrollmechanismen. So wird in der Kunst der 90er Jahre die Ironie zum Instrument für den "Angriff auf Verabredungen der Unterhaltungskultur von innen heraus." Zu diesem Zweck provozieren die Künstler den Betrachter oft mit inszenierten Tabubrüchen, um zu testen, wo seine Schmerzensgrenze endet und sein Moralempfinden spürbar wird. Häufig begegnet man in der Kunst exaltiert dargestellten Obsessionen aus der (Bilder)Welt der Medien. "Glitzern, Leuchten und Verlöschen" ist die künstlerische Strategie im Bereich des Zwischen. Der von Gerrit Gohlke zitierte amerikanische Maler- und Objektkünstler Jeff Koons ist ein Meister der Verführung, wie sein jüngster Bilderzyklus der Malerei 2000 präsentiert von der Deutschen Guggenheim Berlin wieder zeigte. Die Arbeit "Hair with Cheese" (2000, Öl/ Leinwand, 300 x 430 cm), eines der eigens im Auftrag für die Deutsche Bank konzipierten großformatigen Leinwände, zeigt eine vielschichtige Verflechtung von Vorder-, Hinter- und Mittelgrund, die vorwiegend durch drei parallel angeordnete Haarperücken in rot, blond und violett dominiert wird. Sie sitzen jeweils auf seltsam amorphen, aber äußerst plastisch modellierten "cheese"- gelben Häuptern auf hinterfangen mittels eines stellenweise durchbrochenen dichten, beinahe dschungelartig wirkenden grünen Blätterwalds mit dem einschneidenden Streifen eines blauen Wasserfalls. Die Sockelzone bildet mittig gesetzt ein sorgfältig ausgeschnittenes und in auffallendem Pink gefärbtes Lippenpaar, das am oberen linken Bildrand durch einen blauen grellreflektierenden Liddeckel mit langen Wimpern ergänzt wird und den Betrachter die deformierten "Häupter" als Köpfe identifizieren läßt. Wie bei allen Koons- Bildern sticht die grelle Farbigkeit in der Tradition der Popart ins Auge. Alle Formen sind sauber ausgeschnitten und ohne jeden lesbaren Duktus in hochrealistischen Stil und durch eine perfekte Wiedergabe des Lichtschattenspiels und der Materialität der Motivvorlagen gemalt. Eine inhaltliche Verknüpfung zwischen den Motivzitaten der Perücken, der Eisblumen, des Wasserfallls oder des Dschungels zwecks Deutung kann der Betrachter nicht konstruieren, wenn auch alles in der satten Farbwiedergabe und der homogenen Bildoberfläche in Printqualität sehr appetitlich anzusehen ist. Und das scheint auch das Ziel von Jeff Koons zu sein: attraktive Bilder zu schaffen, Bilder, die den Durst nach neuen Bildern beim Betrachter kurzfristig löschen. Die Arbeiten Koons gleichen in ihren perfekten Arrangements einer Photoshopcollage, einem Poster, für dessen Produktion der Künstler via Annonce und gegen ein Honorar die besten Profis, Künstler, Studenten, Fassadenmaler etc. für bisweilen nur wenige Tage als Assistenten angeheuert hat, damit sie seinen Bildentwurf vom Computermonitor auf einem Gerüst stehend in Öl auf eine monumentale Leinwand übertragen. Hier begegnet der Künstler in der Funktion als Bilderproduzent vergleichbar dem Grafiker im Bereich der Werbung beauftragt mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu gewinnen. Mit seinen wie zu monumentaler Größe aufgeblasenen Photoshopcollagen zollt der Künstler der unausweichlichen Attraktivität der Werbebilder Tribut, um ihr gleichzeitig sein eigenes Label einzustanzen, indem er individuelle Kompositionen aus den allgemein verfügbaren Vorlagen kreiert. Doch die Oberfläche der Bilder unterscheidet sich in ihrer anonymen Glätte kaum vom Hochglanz und der Perfektion eines Lifestyle- oder Modemagazins. Für den Betrachter ist kaum eine Differenz zwischen dem Bild der Kunst und dem der Werbung zu spüren, wenn auch ein Gefühl des Mißtrauens und der Unsicherheit gegenüber dem Bild von Koons bestehen bleibt. Die Ironie in dem Werk von Jeff Koons ist so auch im speziellen Kontext der Ausstellung zu suchen. Es ist die Situation, daß in einem bankgestifteten Museum ausgehend von einem Auftrag Bilder produziert werden, deren Motive der Künstler der Bilderwelt des Konsums (Lippenstiftmünder, Donuts, Eiscreme, modische Schuhe etc.) entnimmt, um dem Betrachter angesichts dieser perferierten Exaltation um Geld und Verführung den künstlichen Charakter seiner eigenen Lebenswelt direkt vor Augen zu stellen und darüberhinaus dem Eintritt zahlenden Ausstellunsgbesucher in der Anheuerung eines mehrzähligen Künstlerassistenteams selbst noch den Glauben und die Illusion an das autonome Kunstwerk zu nehmen. Doch inwieweit hat der Begriff der Ironie- auch als Konzept in der Kunst- nach dem WTC- Attack noch seine Gültigkeit? Nach Rorty hat der Ironiker ein besonderes Interesse an der Philosophie als Frage nach der "Unterscheidung von Erscheinung und Wirklichkeit". Entsprechend vermeidet er endgültige Schlüsse, spricht vergleichsweise in "Metaphern des Machens", steht ein für "Abwechslung und Neuheit". Eine wichtige Voraussetzung für die Ironie übende Person samt ihrer Fähigkeit, sich selbst in Distanz reflektierend betrachten zu können, ist es jedoch, daß sie ihre Perspektive von einer festen Basis aus gewinnt. Doch mit dem Zusammenbruch des Systems nach dem WTC- Attack droht die Ironie, die eines soliden Stützpunkts als Grundlage ihrer Argumentation verlangt, langsam aber merklich in den Bereich des Absurden abzudriften. Das Gefühl des Absurden kommt auf, wenn Altbekanntes plötzlich radikal fremd erscheint. Die Umwelt, der eigene Körper begegnen als Feind. Identitäts- und Sinnverlust sind die Folge und die betroffene Person wird mit den existentiellen Fragen nach Leben und Tod konfrontiert. Jedes Gefühl von Transzendenz und damit auch die einfache Umdeutung gültiger Systeme wird aufgegeben zugunsten des "Bekenntnis(ses) zu bedingungsloser Diesseitigkeit (und eines) Glücksempfinden(s) (gebildet) in voller Gewißheit der Endlichkeit des eigenen Lebens und des Todes". , wie Helmut Scheffel zusammenfassend die Philosophie des Absurden von Albert Camus' im Nachwort zu dessen Roman "Der Fremde" (Original Paris 1953) erklärt. Camus stellt in "Der Fremde" das Wirkliche radikal in Frage, das ohne Sinn erscheint, formuliert aber eine positive Wertung im Sinne eines Aufrufs zur Revolte gegen das Absurde mit einem deutlichen Plädoyer für das Mitmenschliche, Mitverantwortliche und in einer deutlichen Bejahung des Lebens gegenüber dem Nihilismus Sartres. Das Absurde wird im Zwiespalt des Anspruchs auf Sinn einerseits und dessen mangelnder Erfüllung andererseits erfahren. Mersault, die Hauptperson und "absurder Held" des Romans, schleppt sich bewußt/ unbewußt durchs Leben geleitet von der eigenen Trägheit, Lustlosigkeit und Langeweile und verstrickt sich in eine moralisch anfechtbare Kette von Handlungen, die ihn ohne Ehrgeiz und konstante Empfindung unmittelbar nach der Beerdigung seiner Mutter eine Liebschaft beginnen läßt, der die Freundschaft zu einem Zuhälter folgt und im Mord an einem Araber gipfelt, bis ihn die Tat ins Gefängnis führt mit dem kampflos hingenommenen Urteil auf Hinrichtung und Mersaults absurden Wunsch in seiner Todeszelle, er wolle auf dem Schaffott vom Publikum "mit Schreien des Hasses" empfangen werden. Camus' Aufruf in dem eben beschriebenen Roman und in seiner Philosophie des Absurden gleicht einem Protest gegen die Errichtung eines unmenschlichen, zu hoch angesetzten Masses. Das einzige Maß nach Camus ist die Natur und die einzige akzeptable Maßlosigkeit die der Liebe. Doch was ist heute das Maß, da die Gültigkeit der Natur angesichts ihrer Reproduzierbarkeit durch die Gentechnologie in den Hintergrund gerückt ist? Ab wann sprechen wir von Maßlosigkeit und wo sollen dieser Grenzen gesetzt werden? Das Maß definiert sich zuerst im Gegenüber von Individuum und Gesellschaft, zwischen dem Menschen und den Medien und äußert sich in der zeitgenössischen Kunst in der angestrengten Suche nach der persönlichen und kulturellen Identität, die nicht selten in der Frage nach der Gültigkeit von Moral angesichts der massiven Konfrontation mit Sex and Crime durch die Medien oder mit dem Thema der Gentechnologie mündet. Für einen großen Skandal um die mangelnde Moral sorgten in diesem Kontext die Plakatwerbeaktionen entwickelt von der einstigen Kooperation Luciano Benetton, Chef der führenden internationalen Mode- und Trendmarke Benetton und seinem PR- Chef Oliviero Toscani. Ihre letzte Werbe- Kampagne zitierte das Porträt eines zum Tode verurteilten Amerikaners, das an die ersten provokanten Aktionen anknüpfte wie des als Werbe- und Anzeigenmaterials verwerteten Pressefotos der amerikanischen Reporterin Therese Frare, indem der aidskranke David Kirby, Mitbegründer der Aids- Foundation Stafford/ Ohio, auf seinem Sterbebett liegend gezeigt ist umringt vom Kreis seiner Familie und einem Priester. Absurd ist hier die direkte Verknüpfung von Tod und Konsum. Dabei bleibt aufgrund der kommentarlosen Wiedergabe der Fotos- bis auf den Markenslogan "United Colors of benetton"- offen, ob sich der Betrachter allein durch den Akt der Rezeption des Bildes, welches im Medium der Werbung eine massenhafte Verbreitung über Plakate, Zeitungsanzeigen, Werbebroschüren etc. intendiert, bereits als Teil einer kritischen Instanz fühlen sollte. Als Marketingskonzept ausgedrückt hieße das, es werden Einzelschicksale im Motiv dargestellt, um die verschiedenen Betrachter auf eine gemeinsame Ebene im Sinne einer Gemeinschaft zusammenzuführen. Einige Stellungnahme zu der Frage nach einer gültigen Moral im Zeitalter von Medien und Gentechnolgie bieten auch die Young British Artists (YBA), die in der Wanderausstellung "Sensation" präsentiert in London, Berlin und New York zwischen 1997- 99 zu sehen waren. Die Arbeiten der "heimlichen Leitfigur" der YBA, Damien Hirst (*1965 in Bristol; lebt und arbeitet in Devon), fußen auf den wissenschaftlichen Methoden des Sammelns, Sezierens und Archivierens. Hirsts künstlerische Auseinandersetzung gilt den existentiellen Phänomenen von Leben, Krankheit und Tod als natürliches System, dem er die Bedrohung und die Angst aber auch die Hoffnung auf Heilung oder auf ein künstliches Leben beeinflußt durch die Gentechnologie als Entwurf für ein alternatives System gegenüberstellt. Malerei, Schrankskulpturen und Glaskastenobjekte sind die Präsentationsmedien seiner Untersuchungen. Durch den direkten Vergleich der Systeme und die Übernahme der methodischen Hilfswerkzeuge der Forschung, Medizin und Biologie in die Kunst gibt der Künstler seine kritisch distanzierte Haltung zum Thema auf und verzichtet auf eine Position und damit auch eine mögliche Kritik oder Moral. Im Gegenteil geben seine Arbeiten aufgrund ihrer auffallend formalistischen Kompositionen ein äußerst ästhetisches Bild für ihren Betrachter ab und referieren hierin auf die historischen Bewegungen des Minimal und des Pop. So zeigt die Arbeit "Isolierte Elemente, zum Zwecke der Verständigung in dieselbe Richtung schwimmend (1991, MDF, Melamin, Holz, Stahl, Plexiglaskästen, Fische, 5%ige Formaldehydlösung, 183 x 274 x 30,5 cm) einen Glaskasten, worin verschiedene Fischarten in einzelne transparente Kästen in Formaldhyd eingelegt zu sehen sind. In einem Regal wurden sie nach gestalterisch harmonischen Aspekten sorgsam angeordnet, sodaß sich für das Betrachterauge der Charakter eines Bildes ergibt. Ohne Zweifel hat hier das Präsentationskonzept der pathologischen Sammlung Pate gestanden, wie sie bspw. die Berliner Charite im Medizinhistorischen Museum zeigt. Nach klar definierten Kriterien der wissenschaftlichen Kategorien gegliedert scheint die Grenze zwischen Leben und Tod eindeutig. Doch der Künstler Damien Hirst unterwandert die objektive Systematik und setzt an ihre Stelle seine willkürliche, da nach rein ästhetischen, sinnentleerten Kriterien verfahrende Ordnung. So bleibt der Tod zuletzt unberechenbar, und auch der Künstler taumelt zwischen den Systemen Natur- Gentechnologie machtlos hin und her nicht wissend, für welches man sich entscheiden solle. Die Instanz der Moral als Maßeinheit wird gemäß den geltenden Gesetzen der Medien "größer- bunter- schneller" deutlich unterwandert, indem formale Kriterien in den Vordergrund rücken. Gentechnolgie wird attraktiv dank der bunten und aseptisch reinen Welt des Plastiks. Abwegige Präsentations- und Handlungsformen im Absurden findet man auch in der Unfähigkeit zur Kommunikation in der heutigen Kommunikationsgesellschaft. Ein Beispiel zu diesem Phänomen in der Kunst gibt der Deutsche Christian Jankowski (geb. 1968 in Göttingen; lebt und arbeitet in Berlin), indem er bewußt Konzepte zur Kommerzialisierung in der Vermittlung seiner eigenen künstlerischen Ideen entwirft. Hierfür bedient er sich der Strategien zur Suche nach einem Gesprächspartner zwecks Selbstreflexion über verschiedene Medien wie Wahrsagershows im Fernsehen ("Telemistica", 1999), Psychotherapeuten ("Kunstwerk verzweifelt gesucht" 1997), Magier ("Mein Leben als Taube", 1996) oder das Internet ("let's get physical/ digital", 1998). Für seine Arbeit "Kunstwerk verzweifelt gesucht", auf Einladung der Kuratorin Silvia Eiblmeyer für die Ausstellung "Zonen der Verstörung" als Beitrag für den Steirischen Herbst 1997" in Graz entstanden, begab sich der Künstler in eine mehrere Wochen andauernde Therapie bei dem Grazer Psychoanalytiker Siegfried Wesener- Grobacher und dokumentierte die Schlußsitzung auf Video und mit neun weiteren Fotos. Stets am Ort arbeitend und Ideen sammelnd schien Jankowski diesmal auf der Suche nach dem "'wahrhaftigen' Kunstwerk" geradewegs in eine Schaffenskrise hineinzusteuern. Das Video zur Arbeit zeigt den Künstler im direkten Gespräch mit (s)einem Therapeuten, der die Beziehung Kuratorin- Künstler auf die von Mutter und Kind überträgt, wobei er selbst stellvertretend die Rolle des Vaters übernimmt. Die insgesamt 14 Sitzungen sollen Jankowski dazu dienen, zu dem eigenen Alptraum voll Verwirrung und Verzweiflung eine neue Distanz zu gewinnen. Letztendlich endet die Suche nach dem klärenden Gespräch aber in einer Sackgasse, weil sich die erhofften Antworten des Therapeuten in stereotypen Floskeln und Fachbegriffen der Psychoanalyse erschöpfen und weit entfernt von der vertrauten Welt des Künstlers die Möglichkeit auf Verständigung tendenziell untergraben. Gleichzeitig wird aber in der Arbeit eine neue Definition des Künstler(selbst)verständnisses offenbar, indem Jankowski bezüglich seiner Videoarbeit "Kunstwerk ...." erklärt: "Nicht der Künstler entwirft Verbesserungsvorschläge oder Visionen für die Zukunft, sondern andere reflektieren seine Arbeit und seine Entwicklung." Im Video ersetzt also das Attest des behandelnden Arztes die Künstlerschrift. Zusammenfassend stellt Ulrike Groos zum Aspekt der Informationsvermittlung anhand der Videoarbeit Christian Jankowskis fest, daß "(...) das Aufzeigen von Kommunikationsmängeln in der modernen Gesellschaft (...)- trotz oder gerade wegen des angestrebten Angebots heutiger Kommunikationstechnologien- ein zentrales Anliegen (ist)". Und doch ist die Kunst für Christian Jankowski ein Kommunikationsmittel, und so arbeitet er in seinen Videos wiederholt mit Text, wie sein Beitrag zur Venedig Biennale unter dem Titel "Telemistica" (1999) zeigt. Für dieses Projekt hat der Künstler fünf verschiedene Wahrsager des italienischen Fernsehens zu persönlichen Problemen befragt wie: 1. "Ist die Idee für meine Arbeit die richtige?" 2. "Wird es mir gelingen, meine Arbeit gut zu realisieren?" 3. "Wird mein Kunstwerk schön sein, wenn es fertig ist?" 4. "Wie werden die Leute über mein Werk denken, wenn sie es sehen?" 5. "Werde ich Erfolg mit meiner Arbeit haben und über sie glücklich sein?" Der Kontakt zum Medium, dem Wahrsager im Fernsehen wird via Telefon geknüpft, die Fragen formuliert und die Prophezeiungen live ausgesprochen. Bspw. verheißt das Medium Signora Chiara dem Künstler einen großen finanziellen Erfolg in genau 35 Tagen. Wie in der Therapiesitzung "Kunstwerk verzweifelt gesucht" erschöpfen sich auch hier die Antworten in banalen Phrasen. Der Eindruck des Absurden angesichts des Videos "Telemistica" von Christian Jankowski entsteht durch den extremen Gegensatz zwischen der Suche nach dem intimen Gespräch einerseits und der Live- Übertragung der persönlichen Belange an die allgemeine Öffentlichkeit andererseits. Auf dem Monitor visualisiert sich dieser Gegensatz im verständnisvollen Blick der Wahrsager, die gleich einem Fernsehmoderator vor einem spirituell designten Screen wie einem kitschig anmutenden Sternenhimmel, Globen u.ä. sitzen, der gleichzeitig von Einblendungen wichtiger Informationen überlagert wird wie dem Namen des Mediums ("Osvaldo", "Signora Chiara" etc.), Motti ("serenissima"), Telefonnummer, Namen des Senders etc.. Aufgrund der oben beschriebenen extremen Gegensätze zwischen Öffentlichen und Privaten driftet die Situation für den Betrachter bisweilen ins Komische, ins Absurde ab unterstützt durch den ständigen Wechsel der Zeitachsen im Gespräch über die Weissagungen von Dingen, die bereits stattgefunden haben, gerade passieren oder in naher Zukunft Wirklichkeit werden könnten. Christian Jankowski benutzt mit Vorliebe die populären Medien, um Fiktion und Reales, Hoffnung und Erfüllung in ein spannungsvolles Verhältnis zueinander zu setzen, einer Verschleifung von Realität und Fiktion zu dienen. Auf die Frage, wie er seine "Themen" aussuche, antwortet der Künstler: "Die Themen tauchen ganz einfach auf, wenn man sich mit Leuten, Situationen und Systemen auseinandersetzt. Oft überlappen sie einander. Und natürlich bin ich stets um attraktive Motive und schöne Landschaften bemüht". Die Prophezeiungen der einzelnen Wahrsager für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihres Klienten treffen in der Projektion auf dem Bildschirm plötzlich in eins zusammen, und es scheint, wie Raimar Stange erklärt, daß erst über den Akt der Wiederholung einzelner Paraphrasen in den verschiedenen gewählten Medien, Konstellationen und Zeitkontexten die Konstruktion des Tatsächlichen gelingt. ; d.h. im Sinne Camus' gelangt der Betrachter erst über die Rezeption des Absurden zu einem möglichen Wirklichen, Diesseitigen. Wird der Status des Diesseitigen nicht erlangt, kann die Empfindung des Absurden in dumpfe Resignation münden oder auch spontane Gewalt (vgl. Camus' Helden Mersault, das Erfurter Schülerattentat). Wo Camus für sich erkennt, "ich brauche keine Maske" ("Hochzeit in Tipasa"), begegnen wir heute v.a. in den Medien Masken, die die Gesichter der Menschen und Dinge und folglich auch ihre Identität verdecken zugunsten eines "Bildes" für die Öffentlichkeit, zugunsten einer Projektion, dessen angestrebte Erfüllbarkeit seit dem WTC- Attack erstmals in Frage gestellt wird. Die Projektionen der Medien in den Soaps, in der Werbung aber auch in den Videogames erscheinen plötzlich als absurde Ziele und der Wunsch nach einer erfüllten, einer glücklichen Existenz im Menschsein wird laut. So wird Camus heute gelesen als Anlaß zur Selbstbesinnung und Selbstkritik im Kontext einer Gesellschaft, deren Vorbild die USA als Traumland des Konsums waren. Eine Kritik an der weitverbreiteten Anpassung äußerte der politische Pädagoge Paul Goodman bereits 1956 ins einem Buch "Growing up absurd. Problems of Youth in the Organized Society" (New York). Die große Anpassung meint "die verwirrte, verführte, verwöhnte Massengesellschaft, die von einem Größenwahn in den anderen taumelt (Weltraumerkundung, ...) und keines ihrer aufgestauten Probleme wirklich löst (Multikultur, Soazialprobleme,...), (...), die standpunktlose, skrupellose, glücklose IBM- Kultur, die die längste Schulpflicht hat und die größten dropout- Quoten, die sich dem Kapitalismus ausgeliefert hat in der trügerischen Hoffnung jedes einzelnen, auch er könnte doch einmal an dem Profit teilhaben, die den Schein kultiviert, Risiken scheut, Alternativen nicht mehr kennt- (...)." Heute ist offensichtlich geworden, daß der Profit nicht selbstverständlich ist und Alternativen entwickelt werden müssen. anonym ------------------------------------------------------------- |